Neurodermitis im Winter

Warum sich Kälte und Haut weniger gut vertragen

02.11.2022
Lesedauer: 4 Min.

Nach einem ausgedehnten Sommer kann die Vorstellung von Herbst- und Wintertagen durchaus eine romantische sein. Jedoch halten die kühleren Monate nicht nur Gemütlichkeit bereit, sondern stellen für alle, die Neurodermitis haben, auch eine Herausforderung dar: kalte Luft draußen, trockene Heizungsluft drinnen – für die atopische Haut ein Mix, auf den sie besonders empfindlich reagiert. Und noch weitere Faktoren führen dazu, dass deine Haut im Winter besonders schutzlos und anfällig ist. Gemeinsam mit Dr. med. Anne Gürtler, Dermatologin und Ernährungsmedizinerin, erklären wir, woran das liegt und wie du deine Haut winterfest machen kannst.

Cold hands

Beschütze deine Haut – vor allem bei „reizender“ Kälte

Ein wichtiger Faktor im Zusammenhang mit gereizter Haut im Winter ist, wie so häufig, die Hautbarriere. Denn diese wird durch eisige Temperaturen, Wind, Schnee und trockene Heizungsluft strapaziert. Für die bereits geschädigte Hautbarriere von Patientinnen und Patienten mit Neurodermitis ist dies eine besondere Belastung. „Die Hautbarriere beschreibt die äußersten Schichten des sogenannten Stratum corneums, die sich aus Hornzellen (Keratinozyten) und einem umgebenden Fettmantel zusammensetzen. Diese Einheit kann man sich wie eine Ziegelsteinwand vorstellen, bei der die Ziegel die Keratinozyten sind und der umgebende Mörtel der Lipidmantel ist. Sie schützt unseren Körper vor einwirkenden Umwelteinflüssen (z. B. Allergene/Reizstoffe) und hält Feuchtigkeit in der Haut. Wenn diese Balance gestört ist, kann eine massive Hauttrockenheit entstehen und Ekzeme können aufflammen“, erklärt Dermatologin Dr. med. Anne Gürtler.

Graphic

Hinzu kommt: Bei kalten Temperaturen ist die körpereigene Talgproduktion reduziert. Hierdurch vermindert sich der natürliche Fettfilm auf der Haut und sie wird schutzloser: Feuchtigkeit verdunstet viel schneller und Erreger dringen leichter ein. Beides keine willkommenen Effekte, wenn deine atopische Haut ohnehin empfindlich ist. Biete deiner Haut also einen reichhaltigen „Frostschutz“.

Gerade im Winter ist die Pflege mit rückfettenden Cremes oder Balsam essenziell, um deine Haut mit ausreichend Fett zu versorgen und die Feuchtigkeit in der Haut zu halten.

„Gerade im Winter ist mit einem Verbrauch von etwa 1 kg Basispflege pro Monat zu rechnen, um den Körper eines Erwachsenen ausreichend zu versorgen.“
Dr. med. Anne Gürtler

Dr. Anne Gürtler

Hände und Füße nicht vergessen!

Dermatologin Dr. med. Anne Gürtler weist auf ein weiteres Winter-Phänomen hin: „Brennende und trockene Füße im Winter bei bekannter Neurodermitis können Ausdruck der sogenannten ‚Atopic Winterfeet‘ sein – eine besondere Form des atopischen Ekzems.“ Typisches Merkmal sei eine trockene Schuppung an den Zehen, aber auch an der Fußsohle, der Ferse und am Vorfuß. Insbesondere an den Zehenkuppen kann es zu schmerzhaften Einrissen kommen. Doch nicht nur die Füße, auch die Finger können betroffen sein.

Tipps von der Expertin:

  • Eine konsequente Rückfettung mit einer reichhaltigen Pflege an den betroffenen Stellen. Zusätzlich: Die eingecremten Stellen anschließend für 2–3 Stunden mit Haushaltsfolie umwickeln und mit Baumwollsocken fixieren – das bessert den Befund.
  • Ob im Wintersport oder bei langen Spaziergängen: Beschütze deine empfindlichen Hände, indem du Handschuhe trägst! Um sie zusätzlich zu schützen, kannst du mit sogenannten Cold Creams für eine reichhaltige Grundlage sorgen.
Handcream

Winter-Trigger „Luftfeuchtigkeit“

Ein weiterer Triggerfaktor im Winter ist die Luftfeuchtigkeit – sowohl drinnen als auch draußen. Denn kalte Freiluft ist trockener als warme Freiluft, und Raumluft, die mit Heizungen erwärmt wird, ist ebenfalls trockener als nicht beheizte Raumluft. Im Winter liegt also eine geringe Luftfeuchtigkeit vor, was dazu führt, dass deine Haut weiter austrocknet.

So kannst du entgegenwirken:

  • Mit der Heizung nicht höher als 20 Grad Raumtemperatur heizen
  • Luftbefeuchter können die Luftfeuchtigkeit im Innenraum angenehm anheben. Ein einfacher Trick ganz ohne Geräteanschaffung: Stelle mit Wasser gefüllte Behälter auf die Heizungen. Das verdunstende Wasser erhöht die Luftfeuchtigkeit.
  • Stoßlüften nicht vergessen
Winter landscape

Heiße Dusche – angenehem, aber auch austrocknend

Wer freut sich nach einem Spaziergang in der Kälte oder einem langen Arbeitstag nicht auf eine heiße Dusche? Duschen/Baden kann jedoch den schützenden Lipidmantel angreifen und die Hautbarriere stören (s. oben). Beachte daher folgende Tipps:

  • Täglich duschen ist erlaubt, jedoch nicht zu lange (< 5 Minuten) und nicht zu heiß (nicht wärmer als Körpertemperatur)
  • Besser eine kurze Dusche als ein langes Bad
  • Nach dem Duschen sofort eincremen und die Haut rückfetten
  • Pflegende Duschöle und/oder Syndets verwenden, um die Hautbarriere zu schützen
Drinking tea

Dein Wohlbefinden ist die wichtigste Basis, damit es deiner Haut gut geht!

Neurodermitis im Winter ist aufgrund der vielen Triggerfaktoren immer ein Thema. Versuche die Tipps so gut es geht zu beherzigen, damit du den Frost möglichst ohne Frust genießen kannst. Sprich zusätzlich mit deiner:m Dermatolog:in, um weitere Hilfe zu erhalten. Auch nicht zu vernachlässigen: deine Stimmung. Ist sie im Winter getrübt, kann sie dein Stresslevel erhöhen und deine Neurodermitis negativ beeinflussen. Vergiss also nicht, neben Balsam für die Haut auch an Balsam für die Seele zu denken: ob durch Menschen in deinem Umfeld oder Aktivitäten, die dir Freude bereiten, zum Beispiel gemeinsames Kochen.

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